Von Nadja Buoyardane

Verdichten Sie Ihre Aussage – Vier Übungen für knackige Texte

Heute ist Poet’s Day, Tag der Dichter.

Oh, Gedichte! Gedichte, das sind für die meisten von uns die Textform, die wir das letzte Mal in der Schule gelesen haben. Wir vermuten also, dass nur die wenigsten von Ihnen gerade rufen: „Horray, it’s Poet’s Day!”.

Doch Dichten und Schreiben im Beruf haben mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint.

Verdichten – die hohe Kunst, auf den Punkt zu kommen

Gedicht und Dichter kommt von verdichten. Jedes Wort, ja jede Silbe trägt Bedeutung. Alles Unwichtige, alles Überflüssige wird gestrichen. Dichter feilen oft lange an einer einzigen Zeile. Streichen jedes unnötige Wort, suchen nach dem einen treffenden.

Und genau dies können wir uns für berufliche Texte abschauen: wie wir streichen, kürzen, auf das Wesentliche reduzieren – und dabei gleichzeitig Bilder und Emotionen hervorrufen.

Doch wie geht das?

Wir haben ein paar Übungen aus dem Kreativen Schreiben zusammengetragen, die Ihnen helfen, lebendige, knackige Texte zu schreiben.

Sechs-Wort-Geschichten

Versuchen Sie, eine komplette Geschichte in sechs oder weniger Wörtern zu schreiben. Nehmen Sie sich zehn Minuten Zeit und schreiben Sie so viele Geschichten, wie Ihnen einfallen. Als Regel gilt: Zensieren Sie nichts. Keine Geschichte muss auf Anhieb perfekt sein.

Am Ende entscheiden Sie: Welche ist die vielversprechendste Geschichte? Feilen Sie daran.

Ein berühmtes Beispiel bietet Ernest Hemingway:

For sale: Baby shoes, never worn.“ („Zu verkaufen: Babyschuhe, nie getragen.“)

Die ganze Tragik dieser Geschichte entfaltet sich gerade durch die Banalität der Verkaufsanzeige, in der sie erzählt ist. Sicher ist auch Hemingway diese Geschichte nicht beim ersten Streich so perfekt gelungen.

Variante: Sechs-Wort-Zusammenfassung

Probieren Sie doch einmal, in sechs Wörtern Ihr Lieblingsbuch, Ihren liebsten Film, Ihre Lieblingsserie zu erzählen.

Das kann dann so aussehen

  • Höllenfürst löst Kriminalfälle in Los Angeles (Lucifer)
  • Engel und Dämon verhindern gemeinsam Armageddon (Good Omens)

Auf Ihre Arbeit übertragen: Diese Übungen helfen Ihnen, kurz und knackig auf den Punkt zu kommen. Sie lernen, wie Sie die Kernaussage Ihres Textes knapp zusammenfassen. Das hilft Ihnen auch, wenn Sie Überschriften texten.

Geschichte ohne Verben

Wir sagen ja immer, nutzen Sie mehr Verben als Substantive, doch dieses Mal ist es umgekehrt: Schreiben Sie eine Geschichte ganz ohne Verben.

Das kann dann so klingen:

Ein Auto in dunkler Nacht. Nasses Laub auf schmaler Straße. Ein Reh im Scheinwerferlicht. Große Augen hier und dort. Ein Fluch. Ein Versuch. Ein Baum weniger am Straßenrand.

Auch hier üben Sie wieder, direkt zum Punkt zu kommen. Da Sie keine Verben nutzen dürfen, müssen Sie sehr konkrete, treffende Substantive und Adjektive auswählen, mit denen Sie bei Ihren Lesern Bilder erzeugen.

Probieren Sie zum Beispiel einmal, ohne Verben zu beschreiben, was Ihre Firma, Ihre Organisation anbietet und leistet.

Haikus

Haikus sind eine alte Gedichtform aus Japan. In wenigen Silben wird eine ganze Geschichte erzählt.

Ein Haiku wird im Präsens geschrieben und besteht im Japanischen aus 17 Silben (beziehungsweise Lauten) sowie üblicherweise drei Zeilen. Die japanische Aufteilung ist meist fünf, sieben und wieder fünf (Laut-)Silben.

Da Deutsch und Japanisch zwei komplett unterschiedliche Sprachen sind, braucht es für das Deutsche ein wenig mehr Freiheit, um einen guten Haiku zu schreiben.

Setzen Sie sich 13 bis 18 (maximal 20) Silben als Ziel. Auch bei der Aufteilung der Silben können sie sich mehr Freiheit lassen. Spielen Sie mit der Anzahl der Silben pro Zeile, bis es passt.

Hier ist ein Beispiel für einen traditionellen japanischen Haiku von Matsu Bash? (1644–1694):

Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers.

Wie Sie merken, folgt die Übersetzung nicht ganz den japanischen Regeln – es passt aber fürs Deutsche.

In einem Haiku sagen Sie dem Leser in wenigen Silben nur das Notwendigste. Das Wesentliche steht zwischen den Zeilen. Die eigentliche Aussage entsteht im Kopf des Lesers.

Haikus sind zudem meist einfach formuliert – schließlich haben Sie zu wenig Silben, um lange, komplizierte Wörter zu verwenden.

Indem Sie üben, Ihre Gedanken in nur wenigen Silben und Wörtern auszudrücken, schärfen Sie Ihren Blick für die richtige Wortwahl. Sie klopfen jedes Wort daraufhin ab, ob es nicht eine bessere, kürzere, treffendere Alternative gibt.

Außerdem lernen Sie, wie Sie mit dem Kontext Bilder beim Leser hervorrufen – und erkennen so, dass Sie nicht immer alles ausformulieren müssen, um präzise zu sein.

Wie alle Texte, schreiben Sie einen guten Haiku auch nicht im ersten Wurf. Schreiben Sie eine erste Fassung, lassen Sie sie liegen und überarbeiten Sie sie noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal. So oft, bis Sie zufrieden sind.

Und jetzt sind Sie dran

Probieren Sie die Übungen aus! Senden Sie uns Ihre Geschichten und Haikus! Wir veröffentlichen sie gerne in unserem Newsletter – mit oder ohne Namen, wie Sie möchten.

Herzlichst,

Nadja Buoyardane und Franziska Nauck

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