Von Franziska Nauck

Frames und Framing – Warum verstehen die Leser meine Fakten nicht?

Haben Sie sich auch manchmal gefragt, warum andere Menschen aus den exakt gleichen Fakten komplett andere Schlüsse ziehen als Sie?

Fragen Sie sich dann, warum Ihre Mitmenschen die offensichtlichen Tatsachen nicht sehen (wollen) und nicht das tun, was diese doch so offensichtlich erfordern? Und: Warum die anderen überhaupt etwas anderes sehen können als Sie? Es sind doch schließlich belegbare Fakten, über die Sie sprechen bzw. schreiben, oder?

Die Antwort darauf ist ernüchternd und hilfreich zugleich: Sie sprechen zwar über Fakten, doch es ist schlicht nicht möglich – weder im Dialog noch in Texten –, über Fakten neutral, objektiv und wertfrei zu kommunizieren.

Warum können wir nicht einfach Fakten kommunizieren?

Achtung, wir werden jetzt etwas wissenschaftlich: Weil jede Botschaft vom Empfänger, von der Empfängerin vor dem Hintergrund ihrer körperlichen, sprachlichen und kulturellen Erfahrungen interpretiert und verstanden wird.

Das heißt: Jeder Mensch macht im Leben unterschiedliche Erfahrungen, die er:sie abspeichert und beim nächsten Mal in einer ähnlichen Situation wieder erinnert.

Diese Erfahrungen bilden den Rahmen, innerhalb dessen eine Botschaft gedeutet wird: den Deutungsrahmen. Rahmen heißt auf Englisch „Frame“ – Man spricht hier deshalb auch von Framing.

Wir schreiben heute einmal darüber, was das für Ihre Kommunikation bedeutet.

Was ist Framing? Wie funktioniert es?

Nach der Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling verleihen erst diese Frames, also die Deutungsrahmen, einzelnen Wörtern Bedeutung.

Anders ausgedrückt: Wörter haben nicht für alle Menschen die gleiche Bedeutung, selbst wenn sie die gleiche Sprache sprechen. Die Wörter werden auf Basis unserer Erfahrungen und der damit verbundenen Gefühle interpretiert und dann mit Bedeutung aufgeladen.

Themen werden also nie in einem luftleeren Raum diskutiert, sondern wir beziehen unsere Positionen immer eingebettet in unsere bisherigen Erfahrungen.

Bestimmte Wörter aktivieren dabei jeweils einen bestimmten Interpretationsrahmen, also einen bestimmten Frame. Der Frame ist, aufgrund der jeweiligen Erfahrungen, die damit verbunden werden, auch immer mit bestimmten Gefühlen verbunden.

Tempolimit – ein Beispiel, wie Framing Debatten aufheizt

Ein konkretes Beispiel, damit Sie besser verstehen, wie sich das auswirkt: das Thema Tempolimit.

Ein Teil der Menschen verbindet schnelles Fahren mit dem Deutungsrahmen „persönliche Freiheit“ oder „Spaß“. Das Wort „Limit“ steht dieser Freiheit entgegen und erzeugt deshalb negative Gefühle, wenn nicht gar Schmerz. Durch die Forderung nach einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung fühlen sie sich deshalb in ihrer Freiheit beschnitten (und das ohne Betäubung). Entsprechend heftig sind sie dagegen.

Der andere Teil hingegen verbindet schnelles Fahren mit „Unfallgefahr“ oder „CO2-Ausstoß“. Das Wort „Tempolimit“ aktiviert daher bei ihnen den Frame „Sicherheit“ oder „CO2 reduzieren“ – damit verbinden sich bei ihnen automatisch positive Gefühle.
Daher geht es bei der Debatte um ein Tempolimit nicht nur um Unfallstatistiken, CO2-Messung oder Stauforschung, sondern immer auch um Gefühle.

Es geht – im Dialog oder Ihren Texten – also nie nur um „Fakten“. Sondern die Interpretation und das Verstehen werden immer schon durch das Wertesystem des Gegenüber, durch die aktivierten Frames mitbestimmt.

Wie die Wörter, die wir verwenden, die Wahrnehmung unseres Themas beeinflussen

In politischen Debatten, genauso wie im Marketing, versucht man, diesen Effekt zu nutzen, um die eigenen Botschaften wirkungsvoll zu platzieren und Menschen zu bestimmten Handlungen zu bewegen. Dazu bedient man sich häufig bestimmter Metaphern: Diese verbinden abstrakte Ideen mit körperlichen Erfahrungen und machen die Botschaft begreifbar.

Ein paar Beispiele:

  1. Steuerbelastungen und Steuererleichterungen. Eine Last ist eindeutig negativ, hingegen eine Erleichterung positiv. Übertragen auf die Steuern empfinden wir: Steuern zu zahlen, ist grundsätzlich negativ, weniger Steuern zu zahlen, positiv. Dass damit der Sinn und die positiven Auswirkungen von Steuern vollkommen außen vor bleiben, müssen wir uns erst einmal bewusst machen.
  2. Ein weiteres Beispiel, wie Framing das Urteilen und Handeln von Menschen beeinflussen kann, gibt ein Experiment von der oben genannten Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling:

    Zwei verschiedene Gruppen von Probanden bekommen einen fast identischen Text zur Entwicklung von Kriminalität zu lesen. In den Texten gibt es nur einem kleinen Unterschied: In einer Version wird die Kriminalität als «wildes Tier» beschrieben, im anderen als «Kriminalitätsvirus».

    Das Ergebnis: Die Leser der ersten Version schlagen signifikant öfter vor, „Verbrecher erbarmungslos zu jagen“, als das die Leser:innen der zweiten Version tun. Diese bevorzugen zur Lösung eher Armutsbekämpfung oder Bildungsangebote.

    Als Begründung für ihre Entscheidung nennen übrigens beide Probanden-Gruppen die Kriminalitätsstatistik, die in beiden Texten natürlich völlig identisch war. Es war ihnen also nicht bewusst, in welchem Frame sie sich bewegten.
     
  3. Gewinnen oder verlieren?
    Wir haben schon öfter darüber geschrieben, dass ich dieselbe Tatsache entweder positiv oder negativ formulieren kann. Nehmen wir Verlosungen: „Jedes fünfte Los gewinnt!“ ist ein typischer Werbespruch. Hier müssen wir nicht lange erklären, warum wir nicht schreiben „Vier von fünf Losen sind Nieten!“ – Hier wird nochmal besonders deutlich, dass es niemals nur um Fakten geht.

    Ein anderes Beispiel für solche „Loss- oder Gain-Framings“ ist diese Aussage: „Wer raucht, stirbt schneller.“ Diese kann bei der adressierten Person Ängste – vor dem Verlust des Lebens – auslösen. Das positive Gegenstück wäre: „Wer aufhört zu rauchen, lebt länger.“ Hiermit kann ich positiv motivieren, indem ich einen „Gewinn“ in Aussicht stelle.
     
  4. Auch der rosa Elefant, an den ich eigentlich NICHT denken soll, lässt sich mit Framing erklären. Es reicht einfach, wenn bestimmte Wörter in einem Satz vorkommen. Ob das Wort NICHT auch noch dabei steht, ist unserem Gehirn egal. Daher hilft es auch nicht, wenn ich Positionen, die ich ablehne, einfach verneine. Denn damit wiederhole ich die Wörter ja trotzdem und verfestige den Frame wieder ein kleines Stückchen.

    Wenn Ihnen also jemand vorwirft „Sie sind einfach zu geizig, wenn es um die Ausbildung Ihrer Kinder geht“, antworten Sie nicht: „Ich bin NICHT geizig!“, sondern ändern Sie das Framing: „Ich bin sparsam und überlege genau, welche Ausgaben sinnvoll sind und welche nicht.“

    Während Geiz negative Assoziationen hervorruft, da er mit Selbstsucht und Egoismus verknüpft ist, wirkt Sparsamkeit eher positiv, da sich diese mit „Vernunft“ und „Weitsicht“ verbindet. So kann auch eine monetär gleich hohe Ausgabe, ein Fakt also, vollkommen unterschiedlich gewertet und verstanden werden.

Was heißt das für Ihre Texte?

Sie können nicht neutral einfach nur Fakten kommunizieren. Machen Sie sich bewusst: Framing ist ein machtvolles Instrument, um Menschen zu beeinflussen. Überlegen Sie deshalb immer, in welchem Kontext Ihre Fakten interpretiert werden (können) und welche Gefühle und Deutungsrahmen Sie mit den Wörtern, die Sie verwenden, aufrufen.

Was ist Ihr „Lieblingsframe“, auf den Sie immer wieder stoßen? Bei welchen Themen fragen Sie sich häufig, warum andere Menschen nicht sehen, was Sie sehen? Finden Sie heraus, welche Deutungsrahmen in der Debatte darum aufgerufen werden – und wie diese die Sichtweise beeinflussen.

Herzlichst,

Franziska Nauck und Nadja Buoyardane

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