Von Nadja Buoyardane

Literacy Management – Unternehmen brauchen Schreibkompetenz

In unserer Wissensgesellschaft wird Wert immer weniger durch Produktion als durch Wissen und Dienstleistung generiert. Damit wird die Schreibfähigkeit der Mitarbeiter zum eigentlichen Wertschöpfungsfaktor eines Unternehmens. Zeit, sich in Unternehmen stärker dem Thema Schreiben zu widmen.

Im unternehmensinternen Schreibraum fragt eine Mitarbeiterin den anwesenden Schreibtrainer nach einer Einzelberatung zu einem Bericht, den sie Ende der Woche abgeben muss. Im Intranet macht sich ein neuer Mitarbeiter mit Hilfe der Online-Lernmaterialien mit der unternehmensspezifischen Tonalität von Texten vertraut. Vergangene Woche hatte er bereits das erste von vier Präsenzseminaren, die ihm effiziente Schreibmethoden vermitteln. Nebenan besprechen die Kollegen, wie man eine für alle nachvollziehbare Ablagestruktur schaffen könnte, um Suchzeiten zu minimieren.

Was hier nur Fiktion ist, könnte bald in vielen Unternehmen Realität werden: Schreiben wird zu einem Thema, über das man spricht. Und das ist gut so. Wurde Schreiben bisher als etwas gesehen, was nebenher zur „eigentlichen“ Arbeit geschieht, setzt sich inzwischen die Erkenntnis durch, dass Schreiben für viele die „eigentliche“ Arbeit ist. Denn in unserer Wissensgesellschaft wird Wert vor allem durch Wissen und Service generiert. Damit wird die Schreibfähigkeit der Mitarbeiter zum eigentlichen Wertschöpfungsfaktor eines Unternehmens.

Die tägliche Kommunikation prägt die Außenwirkung eines Unternehmens genauso wie seine teuren Hochglanzbroschüren. Missverständlich formulierte, unklar strukturierte E-Mails, Berichte, Analysen führen im besten Fall zu Nachfragen, im schlechtesten Fall zu verlorenen (oder nie gewonnenen) Kunden. Hinzu kommt: Umständliche Vorgehensweisen, fehlendes Wissen über Schreibtechniken und stundenlanges Suchen in chaotischen Ablagesystemen verbrennt Arbeitszeit und zerrt an der Motivation der Mitarbeiter. Fehlendes Schreibmanagement verursacht also Kosten – auch wenn diese nicht in der Bilanz auftauchen.

Manchen Unternehmen reicht es daher nicht mehr, darauf zu vertrauen, ihre Mitarbeiter werden die notwendigen Kenntnisse schon mitbringen oder sich diese „on the job“ aneignen: Die Nachfrage nach Schreibseminaren steigt. Sie sind sinnvoll und wichtig. Um nachhaltige Verhaltensänderungen im Umgang mit Informationen sowie beim Schreiben von Texten zu erzielen, sollten jedoch noch weitere, kontinuierliche Impulse gesetzt werden. Dazu braucht es die Bereitschaft, eine neue Sichtweise auf das Schreiben innerhalb des Unternehmens zu entwickeln: auf das Schreiben als Wettbewerbsvorteil.

Literacy Management – Schreiben managen

Literacy Management ist ein in Deutschland noch neues Management-Konzept, das an der Schnittstelle zwischen Schreibdidaktik, Literacy-Forschung sowie Informations-, Wissens- und Change-Management angesiedelt ist. Den Begriff hat der Schreibforscher und -didaktiker Gerd Bräuer geprägt, der das Konzept in Deutschland eingeführt hat.

Ziel eines umfassenden Literacy Managements im Unternehmen ist es, das nötige (Schreib-)Wissen bereitzustellen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Mitarbeiter dieses nutzen und so ihr Schreibpotenzial entfalten können. Zu den Aufgaben des Literacy Managements gehört es, die Prozesse der Textproduktion zu optimieren, Weiterbildungskonzepte und Lernmaterialien zu entwickeln sowie Schulungs- und Beratungsprogramme zu etablieren. Parallel dazu werden die Arbeitsbedingungen nach schreibhemmenden Faktoren durchleuchtet.

Dabei geht es um zwei Ebenen: zum einen um das persönliche Literacy Management der einzelnen Mitarbeiter: Wie gehen diese mit Informationen um, wie beim Schreiben vor? Zum anderen geht es um das Literacy Management der Organisation: Welche Wege gehen Informationen? Wie wird Schreiben thematisiert? Beide, individuelles und institutionelles Literacy Management, bedingen einander: Verändert sich das Literacy Management des Mitarbeiters – lernt er z. B., sich beim Schreiben besser zu organisieren –, wirkt sich dies auf das Literacy Management des Unternehmens aus. Umgekehrt beeinflusst die im Unternehmen herrschende Schreibkultur das Schreibhandeln der Mitarbeiter.

Um das Literacy Management zu optimieren, muss zuvor die aktuelle literale Situation im Unternehmen analysiert werden: Das heißt, es werden die Schreib- bzw. Lesebedürfnisse aller Beteiligten herausgearbeitet und die Ziele der hausinternen sowie der externen Kommunikation definiert. Anschließend wird priorisiert, welches die dringlichsten Veränderungen sind und was man schnell und mit geringem Aufwand umsetzen kann. Die mittel- und langfristigen Maßnahmen werden in einem Aktionsplan festgehalten.

Literacy Management ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Schritt für Schritt werden die einzelnen Maßnahmen umgesetzt und ihre Wirkung begutachtet. Während umfassende Schulungskonzepte entwickelt werden, können erste Punkte oftmals schon erstaunlich leicht umgesetzt werden – und dabei doch große Wirkung erzielen: Zum Beispiel Team-Meetings, in denen Texte besprochen werden; eine klare Ansage der Führungsebene, dass es akzeptabel ist, während Schreibzeiten auch mal „nicht erreichbar“ zu sein; ein spezieller Raum, in dem man sich zum Schreiben zurückziehen kann oder auch nur ein „Bitte nicht stören“-Schild auf dem Schreibtisch, das den Kollegen signalisiert, dass man sich konzentrieren muss.

Indem Unternehmen mit Hilfe eines umfassenden Literacy Managements eine Schreibkultur schaffen, in der Schreiben zu einem wichtigen Thema gemacht wird, geben sie dem Großteil der Arbeit ihrer Mitarbeiter*innen den Stellenwert, den das Schreiben in unserer Wissensgesellschaft wirklich hat. Das fördert die Motivation und die Freude am Schreiben. Es führt letztlich zu produktiveren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zu einer erfolgreicheren Organisation.

 

Dieser Artikel ist im Oktober 2015 im Magazin „netzwerk“ des Genossenschaftsverbands erschienen.

 

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